Neue Mobilität zwischen Megatrend und Sackgasse

Carsharing, Autos im Abo, E-Bikes, Fahrgemeinschaften, E-Trottinett und Mobilitätsapps sollen die Gesamtmobilität attraktiver machen und den Verkehr entlasten. Das Smartphone soll den Zugang zu dieser neuen Mobilitätswelt vereinfachen und nutzerfreundlich machen. Doch wieso werden die Angebote im Alltag oft wenig genutzt oder nicht angenommen? Diese und andere Fragen diskutierten die Experten auf dem Podium.

Über 100 Gäste folgten der Einladung zum diesjährigen Frühjahrsanlass im Kultursilo Böschhof, Hünenberg. Jacqueline Stutz, Verkehrsingenieurin und Smart Mobility Managerin bei smove GmbH, Marcus Fromm, Managing Director bei Accenture mit Fokus auf Mobilität, Logistik und Aviatik, sowie Helmut Ruhl, CEO AMAG Group, diskutierten über die Entwicklung neuer Mobilitätskonzepte und Lösungsansätze für die Bewältigung zunehmender Pendlerströme. Das Podiumsgespräch wurde von Pius Vogel moderiert.

Die Bedürfnisse der Menschen erkennen

In seinem Referat gab Markus Fromm Einblicke in die Studie «Ein neuer Ansatz für die Verkehrsplanung: Der Mensch als Massstab für neue Mobilität» von Accenture, Fjord und ioki. Laut ihm greifen die derzeitigen Verkehrsplanungsansätze zu kurz, und er bezweifelt, dass die aktuelle Angebotsvielfalt zur Lösung der Verkehrsprobleme beitragen und für die Anbieter rentabel sind. Seiner Meinung nach ist ein Perspektivenwechsel angezeigt. Um angemessene Mobilitätsangebote zu entwickeln, gelte es, die Bedürfnisse der Menschen besser zu verstehen. Er und sein Team haben dabei verschiedene Nutzertypen definiert. Nur so könne es gelingen, eine erfolgreiche Verkehrsplanung umzusetzen, meinte Fromm. Die Herausforderung sei vor allem, die «letzte Meile», die Distanz zwischen Wohnung/Haus und dem Anschluss an den öffentlichen Verkehr, für die Menschen attraktiv zu machen. Die Chance, das Verkehrsaufkommen zu reduzieren, biete das Konzept des Sharings, sagte Fromm.

Wie viele Angebote dürfen es sein?

In der anschliessenden Podiumsdiskussion wies auch Jacqueline Stutz auf das riesige Mobilitätsangebot hin: «Das aktuelle Angebot überfordert die Konsumentinnen und Konsumenten.» Die grösste Herausforderung sieht sie in der Erschliessung der Dörfer und der «letzten Meile», insbesondere zu Randzeiten. Hier gäbe es heute eine grosse Angebotslücke. Regional gesehen, sollen die Menschen mit dem Ausbau der Bahnhöfe, wie beispielsweise in Rotkreuz, die Möglichkeit bekommen, die öffentlichen Verkehrsmittel mit verschiedenen Mobilitätsangeboten kombinieren zu können. Der «Bahnhof der Zukunft» werde mehr Einkaufs-, Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten bieten, um Pendlerwege möglichst kurz zu halten, so Stutz.

Helmut Ruhl zeigte sich überzeugt, dass man das Auto neu denken dürfe. Das Auto der Zukunft werde umweltfreundlicher sein und die AMAG Gruppe hat sich dazu ambitionierte Klimaziele gesetzt. Mit der wachsenden Bevölkerung werde der Verkehr allerdings weiter zunehmen, und im Güterverkehr übernehme der Individualverkehr in Zukunft eine bedeutende Rolle bei der Kleinverteilung. Mit ihrer App versucht AMAG bereits heute, vernetzte Mobilität mit ressourcenschonenden Sharingangeboten für ihre Kundinnen und Kunden attraktiver und bequemer zu gestalten und mit weiteren Transportmitteln zu ergänzen.

Marcus Fromm vermutete, dass die grossen Onlineplattform-Anbieter in Zukunft die Schnittstelle zwischen Mobilität sowie Nutzerinnen und Nutzern bilden werden. Die Mobilitätsnutzung jedes Einzelnen werde dann automatisch erkannt und abgerechnet. Auch Jacqueline Stutz ging davon aus, dass sich einige wenige auf dem Markt durchsetzen werden.

Die Lösung liegt nicht morgen bereit

Gemäss Jacqueline Stutz zählt nicht nur die Klimaneutralität im Verkehr, es gelte, vor allem auch den Flächenverbrauch zu reduzieren. Fast jedes Auto benötige zwei Parkplätze, nämlich am Start und am Ziel, und raube damit öffentlichen Platz. «In Zukunft muss eine bessere Auslastung des Verkehrs angestrebt werden», betonte sie. Schnelle Lösungen gebe es aber keine, es brauche Geduld und eine langfristige Planung. Die Nachfrage heute bestimme nicht unbedingt das Bedürfnis der Menschen in der Zukunft, so Stutz. Gemäss Helmut Ruhl ist es wichtig, Wege zu finden, damit die Infrastruktur nicht nur zu Spitzenzeiten genutzt wird. Homeoffice sowie ein verändertes Freizeit- und Einkaufsverhalten könnten zur Umverteilung beitragen. Auch Fromm zeigte sich überzeugt, dass vorhandene Kapazitäten besser ausgelastet werden müssen. Dazu brauche es gute Entscheidungs- und Datengrundlagen. Für ihn ist klar: «Wir werden für den Komfort bezahlen müssen.»

Interaktion und Unterhaltung zwischen Fakten und Visionen

Im Rahmen seiner Präsentation lud Fromm die Gäste zu einer kleinen Mobilitätsumfrage ein. André Sandmann, Illustrator, skizzierte den Anlass und bot damit Wow-Effekte. Für Unterhaltung und Staunen sorgte auch Tamara Gassner mit ihren kunstvollen Luftakrobatikeinlagen. Im Anschluss an die Podiumsdiskussion waren die Gäste zu einem Apéro eingeladen und hatten Gelegenheit, die regionalen Mobilitätsangebote näher kennenzulernen, eigene Ideen auszutauschen und ihr Netzwerk zu pflegen und zu erweitern.

Fotos: Thomas Müller, FOTOlight

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